Harburger Schiris sammeln Erfahrungen in Tunesien

In der Woche vor Weihnachten 2024 reisten eine Schiedsrichterin und acht Schiedsrichter aus Norddeutschland zu einem Erfahrungsaustausch nach Tunesien. Ziel war es, im Rahmen eines Turniers, Spiele zu leiten und sich mit Schiedsrichterkollegen auszutauschen. Organisiert und vermittelt wurde die Reise durch den Kreisschiedsrichterobmann des NFV-Kreis Harburg, Marvin Schories.
Die Plätze, die Orte
Als Marvin den Platz erblickte, ließ er sich zu der Aussage hinreißen: „Wenn Du an der einen Grundlinie stehst, siehst Du wegen der Erdkrümmung das andere Tor nicht.“ Und in der Tat: der Platz war riesig; länger und breiter als jeder andere Platz hier bei uns im Landkreis. Aber für die tunesischen Verhältnisse gut in Schuss. Trockenes Gras, eben, keine Hügel.
Ansonsten wurde auf Kunstrasen gespielt. Stumpf, viel Granulat, nicht ideal, aber bespielbar.
Gespielt wurde überwiegend in und um die Stadt Sousse. Sousse, zur Einordnung, liegt ca. 150 km südlich der Hauptstadt Tunis, 220.000 Einwohner; eine Großstadt. Und, ein weiteres Spiel, fand in einem kleinen Ort namens Bouhajla statt. Einem 8000 Seelen-Örtchen mitten irgendwo im Nirgendwo, zweieinhalb Stunden weg im Landesinneren; in der Wüste, quasi.
In Bouhajla war das Spiel ein Highlight mit Polizeischutz und 300 überwiegend jugendlichen, männlichen Zuschauer. Fast das ganze Spiel über fuhr ein Polizei-Bulli auf der Tartanbahn hin und her, um die Zuschauer vom Platz fernzuhalten. Ein vergebliches Unterfangen. Kaum dass das Fahrzeug die Menschenmassen vor sich zurückgeschoben hatte, schlossen sich hinter ihm die Fluten wieder. So ging das hin und her bis der Polizei-Sisyphos einsichtig wurde und die Zuschauer, Zuschauer sein ließ.
Die Gespanne, die Leistung, der Auftritt
Sowas haben sie in Tunesien noch nicht erlebt. Nicht auf dem Level, nicht für Jugend-Fussball-Spiele U15.
Wenn von uns Schiedsrichtern gepfiffen wurde, dann in voller Montur, so, wie wir im Landkreis es gewohnt sind. Stutzen, Hosen, Shirt, Schuhe: alles akkurat und vorbildlich. Headset und Funkfahnen inklusive. Und, das Besondere: mit einem 4. Offiziellen. Das rief große Augen und erstaunen hervor.
Ein Thema noch: Pünktlichkeit. In Tunesien gelten mehr als 40 Minuten nach dem geplanten offiziellen Anpfiff als pünktlich. Gewöhnungsbedürftig für uns Schiedsrichter aus Deutschland. „Sind wir auf dem richtigen Platz? Schau noch mal nach!“ hieß es, wenn 20 Minuten vor der Anstoß-Zeit noch kein Spieler weit und breit zu sehen war. Und, peu-a-peu, trudelten sie dann ein, die Locals und das Spiel konnte irgendwann beginnen.
Aus unserem Landkreis haben folgende Schiedsrichter teilgenommen: Marvin Schories, Chau Duc Doan (beide Buchholzer FC), Leena Maas, Tim Lahse (beide TSV Elstorf), Ibrahim Elias Hofyani (MTV Ramelsloh), Mats Weigel (FC Este 2012) und Volkmar Klutsch (MTV Luhdorf-Roydorf).
Aus dem Kreis Lübeck waren als Gäste die beiden Schiedsrichter Lukas Klingelhöfer (Roter Stern Lübeck 08) und Patrick Möller (SV Azadi Lübeck) mitgereist.
Nicht nur am Spielfeldrand wurde aktiv über Entscheidungen, über Erfahrungen, über Spielsituationen und lustige Ereignisse gefachsimpelt. Auch abends, bei dem wohlverdienten Feierabendbier und reichlich Spagetti Bolognese ging es in munterer Runde um Fußball, Fußball und nochmal Fußball.
Das Rahmenprogramm
Neben den Spielen, die wir leiten durften, gab es auch ein offizielles und ein inoffizielles Rahmenprogramm. Während die einen ein Jugendspiel leiteten, besuchten die anderen SR eine Trainingseinheit der Schiedsrichter der Tunesischen-Elite-Schiedsrichter und trainierten mit.
Ein weiteres Highlight des offiziellen Rahmenprogramms war der Besuch eines erste Liga Spiels zwischen Stade Tunesien gegen Olympique Beja in der Hauptstadt Tunis. Tabellendritter gegen den sechsten.
Zum inoffiziellen Rahmenprogramm gehörte der Besuch der Altstadt und Festung von Sousse und Monastir, der Genuss der lokalen Kulinarik und, für hartgesottene, das kurze, luftraubende Bad im erfrischenden, kalten Mittelmeer.
Die Spiele, die Mannschaften
Bei den Spielen handelte es sich um eine kenianische Mannschaft, die im Rahmen eines Austauschprogramms auf einer Tour durch Tunesien gegen unterschiedlich starke, lokale Mannschaften antrat.
Die Kenianer, zwischen 10 und 15 Jahren alt, begannen im ersten Spiel gegen eine eher schwachstarke Mannschaft auf kleinem Platz zu zaubern. Akkurate Pässe, schnelles, direktes Spiel und kaum Zweikämpfe führten zu einem 12:0 Sieg für die Ostafrikaner. Hervorgehoben sei der 10-jährige Davian, der in seiner Spielart an eine Kombination aus Pirlo, Modric und Iniesta erinnerte. Oder mit der Nr. 19, Leo, ein Flügelspieler, der es mit seiner unangestrengten, aber kraftvollen Schnelligkeit in 5 Jahren mit Mbappé oder Bale aufnehmen kann.
Evans, der Trainer der Kenianer mit Hang zu extravaganten, farbenfrohen Anzügen, war begeistert.
Das sollte sich ändern. Auf großem Platz und gegen Mannschaften, bei dem die semiprofessionellen Spieler zwischen 14 und 15 Jahren alt waren, unterlagen die teilweise viel jüngeren Kenianer zum Teil knapp. Eine tunesische Mannschaft, die „Etoile Sportive du Sahel“ („Sportlicher Stern aus dem Sahel“) sei besonders hervorgehoben. Hier zeigte sich, wie Fußball auf 14-jährigem Niveau aussehen kann. Ein- oder Zwei-Kontakt-Fußball, schnelle Verlagerungen von links nach rechts, Dribbelstärke, perfektes Zuspiel unter Bedrängnis und aggressives Tackling des Gegners. Ein Augenschmaus für Fußballgenießer. Insbesondere das körperbetonte Einsteigen in den Gegner waren die eher schöngeistig spielenden Kenianer nicht gewohnt. Aber: sie lernten schnell, die Kicker des Eliteclubs aus Nairobi. Und gegen Ende des Spiels, dass 3:3 endete, wurden aus Kätzchen, Löwen!
Das Fazit
Die gesamte 9-köpfige Schiedsrichter-Entourage war begeistert, alle fanden es eine unvergessliche Erfahrung in einem anderen Land, einem anderen Kontinent, einem anderen Kulturkreis als Schiedsrichter aktiv oder passiv zum Einsatz kommen zu dürfen. Der Dank der Teilnehmer an der Tunesien-Schiedsrichter-Reise gilt dem Organisator und Reiseleiter, dem vielseitig engagierten und kontaktreichen Leiter des Kreisschiedsrichterausschusses des NFV-Kreis Harburg, Marvin Schories. Weiter so, Marvin.
Impressionen von der Tunesien-Reise







